Akute Schmerzen können häufig auftreten, viele Ursachen haben, doch wenn die Ursachen erkannt und behandelt werden, wieder verschwinden. Leider gibt es immer mehr Menschen, die ständig unter Schmerzen leiden, bei denen keine Ursachen zu finden sind, solche chronischen Schmerzen gelten nun als eigenständige Erkrankung, als Schmerzkrankheit. In Österreich leiden bis zu 1,7 Millionen Menschen darunter, also jeder 5. Österreicher. Die Schmerztherapie gilt als eigenes Fach der Schulmedizin in Kombination mit Anästhesie und Notfallmedizin. Doch auch komplementäre Heilsysteme können hilfreich zur Behandlung von Schmerzkrankheit eingesetzt werden.
Was ist Schmerz
Biologisch gesehen ist Schmerz eine gute Sache. Er signalisiert unserem Gehirn, dass im Körper etwas nicht in Ordnung ist. Ursachen dafür können vielfältig sein: Verletzungen, Verbrennungen, Abnützungen des Bewegungsapparates oder Nervenschädigungen, entzündliche Prozesse im Körper oder bakterielle und virale Erkrankungen wie z. B. Borreliose. Der Schmerz ist ja keine Krankheit, sondern ein Warnsignal, ein Symptom für eine Erkrankung. Daher ist es unabdingbar, durch medizinische Untersuchungen und eine Anamnese (griech. Erinnerung, Befragung durch den Arzt) eine Diagnose zu erstellen, die dann den Grund der Schmerzen bringen kann. Der Schmerz ist also ein Warnsignal, das durch sogenannte Nozizeptoren (lat. nocere, schaden) weiter geleitet wird. Diese Nozizeptoren sind freie Nervenendigungen, die in fast allen Körpergeweben wie Haut, Knochen, Muskeln und inneren Organen sitzen. Die Erregung dieser Nerven wird als Information über das Rückenmark zur Hirnrinde weiter geleitet, die sie bewertet und die Schmerzempfindung bewusst werden lässt. Schmerzen können also lebensnotwendig sein. Doch wenn über einen längeren Zeitraum die Nervenzellen immer wieder Schmerzimpulsen ausgesetzt sind, z. B. bei mangelhaft behandeltem akuten Schmerz, verändern sich die Nervenzellen und bilden vermehrt Rezeptoren, die schon bei schwachen Signalen und manchmal sogar ohne jeglichen Reiz Schmerzsignale ans Hirn weiter leiten. Die Nervenimpulse verselbständigen sich, die Zelle hat ein „Schmerzgedächtnis“ entwickelt. Der Schmerz ist nun nicht mehr ein Warnsignal, sondern ist selbst zur Krankheit geworden.
Chronische Schmerzen
Als chronisch bezeichnet man Schmerzen, die zwischen drei und sechs Monaten ständig anhalten und das Leben der Betroffenen negativ beeinflussen. Heute weiß man, dass es nach Abklärung der Schmerzursache von großer Wichtigkeit ist, neben der Behandlung der Schmerzursache den Schmerz selber so rasch und effektiv wie möglich zu behandeln und nicht wie früher, davon ausgehen, dass der Schmerz unvermeidbar sein kann. Unbehandelter Schmerz ist ein Stressfaktor für Körper und Seele und kann den Heilungsprozess verzögern. Psychische Einflüsse können ebenfalls dazu beitragen, bestehende Schmerzen zu verstärken oder auch neue Schmerzen hervorzurufen. Die Aufgabe der Medizin ist also, eine Schmerztherapie auf verschiedenen Ebenen durchzuführen.
Übrigens wer regelmäßig zu Schmerztabletten greift, bekämpft nicht nur die Schmerzen, sondern ruft sie unter Umständen sogar selbst hervor. Eine langfristige Einnahme kann zu Schmerzen führen, die durch das Schmerzmittel ausgelöst werden. Man sollte bei der eigenständigen Anwendung von Schmerzmitteln immer dem Apotheker oder Arzt befragen, ob sie nicht Nebenwirkungen auslösen können.
Komplementäre Heilsysteme
Unter komplementären Heilsystemen (lat. complementum, ergänzend) versteht man heute Heilsysteme, die ergänzend zu schulmedizinischen Therapien eingesetzt werden können. Der Begriff umfasst überlieferte traditionelle Medizinsysteme (Traditionelle abendländische Medizin, Traditionelle chinesische Medizin, Ayurveda) als auch die Naturheilkunde mit ihren klassischen Bereichen (Hydro- Bewegungs- Phyto- Ernährungs- und Ordnungstherapie) sowie die Homöopathie und die Anthroposophische Medizin. In der Schulmedizin sieht der Arzt seine Aufgabe in der Beseitigung bzw. Behandlung der Krankheit, in den Konzepten der komplementären Systeme steht der Mensch mit seinen Problemen und seiner Krankheit, die bei jedem Menschen unterschiedlich sein können, im Vordergrund, Jeder Mensch muss daher unterschiedlich behandelt werden, was dazu führt, dass wissenschaftliche Studien, die immer von einer großen Gruppe von Patienten mit der gleichen Krankheit ausgehen, von solchen alternativen Heilsystemen nicht oder nur schwer durchgeführt werden können. Daher wird die Wirkung von der konventionellen Medizin angezweifelt, dennoch vertrauen viele Patienten auf Heilsysteme wie Homöopathie oder TCM. In Österreich dürfen nur Ärzte mit abgeschlossenem Studium solche Heilverfahren anbieten, was die Sicherheit bringt, dass der Arzt genau unterscheiden kann, wann der Einsatz der klassischen Medizin notwendig ist. Da diese Heilsysteme sehr komplex sind, eignen sie sich nur schlecht zur Selbstanwendung, es ist also sinnvoll, sich einem in diesen Verfahren ausgebildeten Arzt anzuvertrauen.
TCM und Schmerzbehandlung
Die Vorstellung, Schmerzen auszuschalten ist der chinesischen Medizin ganz fremd. Sie nimmt den Schmerz zunächst einmal als Signal ernst. Schon die Schmerzqualität- plötzlich einschießend, stechender Schmerz, dumpfer lähmender Schmerz, brutal schneidender Schmerz- gibt neben der üblichen Puls- und Zungendiagnose bereits Hinweise auf die Grundkrankheít und somit Ursache des Schmerzes. In der TCM gilt Schmerz als „Schrei nach fließender Energie“, das Ziel der Behandlung ist daher, den harmonischen Fluss der Qi- Energie wieder herzustellen. Die Akupunktur gilt im Westen als Heilmethode gegen Schmerzen, was ihrer grundsätzlichen Bedeutung nicht gerecht wird. Doch mit Akupunktur können Qi. Blockaden schnell und efektiv gelöst werden. Bei chronischen Schmerzen allerdings gibt es ja viele Ursachen, und der TCM- Arzt wird neben Akupunktur das gesamte Repertoir der TCM nutzen wie Arzneimitteltherapie, Ernährungstherapie so wie Massagetechniken wie Tuina und Bewegungstherapien wie Qi Gong. Zur Selbstanwendung eignen sich vielleicht Kenntnisse in der Akupressur. So hilft zum Beispiel der Punkt G 20 (am Hinterkopf zwischen den beiden Muskelansätzen) und B 10 (liegt etwas tiefer als G 20 innerhalb der Haarlinie), bei Wirbelsäulenschmerzen vor allem im Rückenbereich und auch bei Kopfweh. Qi Gong zu lernen ist nicht schwer, es werden viele Kurse angeboten. Qi Gong wird gerne als „Akupunktur von innen“ bezeichnet und sollte schon vorbeugend genutzt werden. Qi Gong regt den Qi-Fluss an und kann daher auch bei chronischen Schmerzen helfen. Eine einfache Übung nennt sich:
„Den Himmel halten“: Man steht mit gegrätschten Beinen und leicht gebogenen Knien. Dann bewegt man die Arme in einer Kreisbewegung nach seitlich vom Kopf, streckt sie gemeinsam über den Kopf mit den Handflächen nach oben (tief ausatmen), dann senkt man sie wieder seitlich nach unten, um sie vor der Brust zu verschließen, dabei tief einatmen und dann wieder die Arme zum Himmel heben. Diese Übung hilft, das gesamte durch den Körper fließende Qi ins Gleichgewicht zu bringen.
Homöopathie in der Schmerztherapie
In der Homöopathie geht es nicht um die Krankheit, sondern immer nur um den kranken Menschen in seiner Gesamtheit. Daher ist es grundlegend, die individuelle Gesamtheit des Patienten kennen zu lernen. An erster Stelle steht immer eine ausführliche Anamnese. In der Homöopathie sind besonders Symptome wertvoll, die gerade diesen Patienten kennzeichnen und diese Symptome müssen nicht unbedingt typisch für die Erkrankung sein. Die Homöopathie fragt auch nach geistigen Symptomen und Gemütszuständen wie Eifersucht, Neigung zu Zorn, Ängstlichkeit, etc. Bei den körperlichen Symptomen ist vor allem die Qualität der Schmerzen wichtig, also stechend, klopfend. Auch Reaktionen zeigen individuelle Besonderheiten wie zum Beispiel Verbesserung oder Verschlechterung durch Wärme, Kälte, Druck oder Berührung. Wichtige Faktoren sind auch Auslöser der Erkrankung wie Stürze, körperliche Anstrengung, aber auch Todesfälle, Trauer, Demütigung, etc. Für den Homöopathen sind diese individuellen bzw. ungewöhnlichen Symptome wichtig, während den Schulmediziner nur die typischen Krankheitssymptome interessieren. Hat der Arzt nun all diese Symptome und die modaltäten erfasst, kann er eine maßgeschneiderte Arznei finden. Homöopathische Mittel werden potenziert, das heißt die Verdünnung findet durch Verschütteln statt. Da bei hohen Potenzen keine Moleküle mehr drin sind, wird die Homöopathie von der Medizin bezweifelt, doch in Zeiten wie diesen, wo die Physik zu immer neuen Erkenntnissen kommt, wird man vielleicht eines Tages verstehen, dass solche potenzierten Arzneien vielleicht auf der Basis von Informationen wirken können. Tatsache ist, dass homöopathische Arzneien sich gerade in der Schmerztherapie bewähren können.
Einige Beispiele zur Selbstanwendung:
Chamomilla C 30 hilft vor allem bei Schmerzen von sehr sensiblen Menschen, also „wehleidigen“ Menschen
Aconitum C 30 lindert Schmerzen, die mit Angst verbunden sind oder durch Trauer ausgelöst werden
Rhus toxicodendron C 30 hilft dann, wenn Schmerzen durch Bewegung besser werden
Bryonia C 30 Hilft dann, wenn Schmerzen in Ruhe besser werden, aber bei jedem Schritt sofort wieder stark werden.
Anthroposophische Medizin in der Schmerztherapie
Die anthroposophische (griech anthropos, Mensch, sophia, Weisheit) Medizin möchte auch nicht nur Symptome behandeln, sondern den ganzen Menschen mit seinen seelischen und geistigen Eigenschaften, ihr Ziel ist also, den Menschen in seiner individuellen Biografie wahrzunehmen und den Heilungsprozess auf allen Ebenen zu unterstützen. Die anthroposophische Medizin behandelt natürlich auch Symptome wie Schmerzen, der Schwerpunkt liegt aber darin, die Selbstheilungsprozesse, also die Salutogenese des einzelnen Menschen zu aktivieren. Die anthr. Medizin greift dabei auf ein reiches Instrumentarium von Maßnahmen zurück, von Arzneimitteln natürlichen Ursprungs wie Heilpflanzen, Mineralien und Metallen, bis hin zu pflegerischen Maßnahmen wie Wickel, Bäder oder spezielle Massagetechniken sowie künstlerischen Therapieverfahren wie Zeichnen, Malen, Musiktherapie, Sprachgestaltung und Heileurhythmie(eine spezielle Bewegungstechnik).
Einige Beispiele zur Selbstanwendung: Aconit (Eisenhut)schmerzöl (WALA): Hilft sehr gut bei Schmerzen, wo Nerven beteiligt sind, z.B. bei Gürtelrose, Trigeminusneuralgie, aber auch allen andere Schmerzen .Bambusaenodo (WALA); Bambus speziell aufbereitet hilft bei Schmerzen im Wirbelsäulenbereich Birkenöl mit Arnika hilft bei Muskelschmerzen, Kampfer- Johanniskrautöl bei Nervenschmerzen. Solum uliginosum- Salbe: Ein Moorextrakt plus Schachtelhalm und Rosskastanienextrakt hilft bei Gelenkschmerzen.
Für welche Schmerzen eignen sich pflanzliche Schmerzmittel?
Pflanzliche Schmerzmittel wirken in der Regel weniger stark als isolierte chemische Wirkstoffe. Sie können bei leichten Schmerzen helfen, zur Therapie starker Schmerzen eignen sie sich nicht. Andererseits können Schmerzmittel aus der Natur als Begleittherapie eingesetzt werden und so den Schmerzmittelverbrauch innerhalb einer schulmedizinischen Schmerztherapie senken. Pflanzliche Schmerzmittel haben in der Regel weniger Nebenwirkungen, dennoch sollte man sich an die Dosierungsempfehlungen halten und mögliche Nebenwirkungen beachten. So können auch pflanzliche Schmerzmittel gelegentlich Magen-Darmbeschwerden verursachen, ätherische Öle in Reinform können die Haut reizen. Auch Präparate mit Capsaicin sind für eine empfindliche Haut nicht geeignet. Generell sollten Schmerzen, die häufig oder ohne erkennbare Ursache auftreten, vom Arzt untersucht werden. Je nach Beschwerdebild kann dann ein geeignetes Behandlungskonzept, eventuell aus Schul- und Alternativ-/Naturmedizin ausgewählt werden.
Schmerzstillender Extrakt aus Weiden-, Eschen- und Pappelrinde (Phytodolor, Steigerwald))
Die Baumrinden von Weide, Esche und Zitterpappel enthalten eine ganze Gruppe von Stoffen, die entzündungshemmend und schmerzstillend wirken, darunter Salicine, die Vorläufer der Acetysalicylsäure. Für eine antioxidative und knorpelschützende Wirkung sind vor allem Polyphenole verantwortlich. Aufgrund des Wirkspektrums eignen sich diese Extrakte besonders bei Arthritis, Rheuma und Gelenkschmerzen. Da die Wirkung der pflanzlichen Schmerzmittel weniger stark ist als die von synthetischen Schmerzmitteln, nimmt man sie über mehrere Wochen ein, damit sie ihre volle Wirksamkeit entfalten können.
Miriam Wiegele
http://miriamwiegele.at/